Arzneimittel: Herausforderungen im Arzneimittelmarkt

Mit der GWQ gegen steigende Arzneimittelausgaben

Das Arzneimittelmanagement der GKV benötigt Steuerungselemente zur Kostendämpfung und Versorgungssicherheit.

Die Netto-Ausgaben für Arzneimittel sind von 2010 bis 2019 um 61,4 Prozent auf knapp 44 Mrd. Euro gestiegen. Und ohne neue Kostensenkungsinstrumente für den Bereich der patentgeschützten Arzneimittel wird sich dieser Trend aufgrund der Morbiditätsentwicklung und neuer, oftmals sehr teurer, Neuentwicklungen fortsetzen. Gleichzeitig erlangt das Thema Liefersicherheit und Nachhaltigkeit bei der Versorgung mit Arzneimitteln eine immer größere Bedeutung. Aus Sicht der GWQ gibt es verschiedene Ansätze, diese Probleme anzugehen.

Mit der GWQ gegen steigende Arzneimittelausgaben.

Versorgungssicherheit durch Rabattverträge

Zu Beginn der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, wie wichtig die Rabattverträge im generischen Bereich für die Versorgungssicherheit in Deutschland sind. Trotz der Produktionsprobleme in wichtigen Wirkstoffproduktionsländern wie Indien und China konnten bei ca. 20 Prozent höherer Inlandsnachfrage im März 2020 alle Verschreibungen vollumfänglich bedient werden. Dazu haben vor allem die langfristigen Rabattverträge mit klaren Mengenvorgaben beigetragen, da die Generikaanbieter die entsprechend ausgeschriebenen Mengen in Deutschland auch vorrätig gehalten haben. Dennoch zeigen solche Krisen auch eindrücklich: In einer Welt mit globalen Lieferketten gibt es Abhängigkeiten, die im „worst case“ zu echten Versorgungsproblemen führen können.

Daher plant die GWQ, zukünftig in Ausschreibungen neben dem Kriterium „Preis“ die Themen „Nachhaltigkeit“ und „europäische Wirkstoffproduktion“ stärker in den Fokus zu rücken. Insbesondere bei biologischen Arzneimitteln ist es wichtig, die komplexen Produktionsprozesse auch weiterhin in Europa zu halten, da eine kurzfristige Ersatzbeschaffung faktisch nicht möglich wäre.

Schnellen Zugang zu Innovationen für Patienten sichern – neue Instrumente für faire Preise implementieren

Deutschlands Status als globales Preisreferenzland sowie die freie Preisbildung im ersten Jahr in Kombination mit einer automatischen Erstattungsfähigkeit neuer Arzneimittel durch die gesetzliche und private Krankenversicherung führen zu irra­tional hohen Arzneimittelpreisen. Da bisherige Preisfindungsmechanismen hier versagen, erfordert die Sachlage den Einsatz neuer Instrumente. Das GWQ-Arzneimittelmanagement hat verschiedene Vorschläge in einem 10-Punkte-Papier zusammengestellt, welches die drängendsten Probleme im Arzneimittelbereich adressiert. Zwei Punkte des Papiers seien exemplarisch genannt:

Orphan Drugs: Arzneimittel für seltene Erkrankungen stellen für Erkrankte oftmals die einzigen Therapiealternativen dar, aber die Kosten für alle Therapien gegen seltene Erkrankungen explodieren und liegen mittlerweile bei ca. zehn Prozent der GKV-Gesamtausgaben. Anders als „normale“ Arzneimittel erhalten Orphan-Drugs in der deutschen Nutzenbewertung auch ohne vergleichende Daten einen Zusatznutzen zugesprochen. Eine echte Nutzenbewertung findet erst ab einem Umsatz von 50 Mio. Euro statt. Durch eine Kombination von mehreren Maßnahmen könnten mittelfristig in diesem Sektor dreistellige Millionenbeträge eingespart werden: Die Senkung der Umsatzschwelle für die echte Nutzenbewertung auf 20 Mio. Euro, eine realitätsgerechte Festlegung der Verhandlungsbasis für „europäische Preise“ und die Einführung eines indikationsübergreifenden Preisbenchmarks.

Gentherapeutika: Neuartige Zell- oder Gentherapien können als Einmalgabe bisher unheilbare Erkrankungen heilen. Dafür liegen die Kosten aber im sechs- oder sogar siebenstelligen Bereich. Diese Kosten fallen direkt zu Beginn der Therapie an – unabhängig davon, ob der Patient auch mittel- bis langfristig einen Nutzen von der Therapie hat. Hier besteht der große Unterschied zu chronischen Erkrankungen, wo der behandelnde Arzt bei „Nicht-Ansprechen“ die Therapie absetzen kann und dann entsprechend auch keine Kosten mehr anfallen. Zugleich wird ein großer Teil der Patienten schon vor einer Nutzenbewertung – und damit zu nicht nutzenadjustierten Kosten – therapiert. Das System hat derzeit keine Möglichkeit, sich vor Therapiekosten von 3,5 Mio. oder auch 10 Mio. Euro für einen Patienten zu schützen. Die Kassen stehen im Zweifelsfall stark unter Druck, wenn laufende Antragsverfahren medienwirksam in der Presse flankiert werden. Hier können einerseits Pay-for-Performance-Verträge das Kostenrisiko bei unwirksamen Behandlungen entscheidend verringern. Andererseits müsste der verhandelte Erstattungsbetrag nach zwölf Monaten rückwirkend zum ersten Tag gelten, um das GKV-System vor extrem überzogenen Kosten im ersten Jahr zu schützen. Weitere Einsparungen, z. B. durch die Abschaffung des Verbots von qualitätsorientierten Rabattverträgen für die Zytostatikaversorgung oder neue Preisfindungsmechanismen für Kombinationsarzneimittel in der Krebstherapie, versprechen mittelfristig Kostensenkungen im dreistelligen Millionenbereich. Diese Lösungen können ohne Nachteile für die Patienten eingeführt werden.