Das Virus als Treiber

COVID-19 hat die lange verdeckten Schwächen des Systems sichtbar gemacht

Der Weg zu mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit des Gesundheitssystems wird seit Jahren durch langwierige Entscheidungsprozesse gebremst.

Das langsame Reformtempo ist zum Teil mit der föderalen Struktur zu erklären. Aber wichtiger noch ist der fehlende Handlungsdruck: Das Gesundheitssystem hat ausreichend Ressourcen und funktioniert auch im internationalen Vergleich gut. Jedoch bleibt es angesichts der eingesetzten finanziellen Mittel in diesem internationalen Vergleich hinter den Erwartungen zurück. Die Corona-Pandemie hat für bisher unbekannt schnelle Entscheidungen gesorgt: In Anbetracht der Gefahren für Bevölkerung und Funktionsfähigkeit des Versorgungssystems wird das Virus zum Treiber für Veränderungen, weil es lange übertünchte Schwachstellen unübersehbar gemacht hat.

COVID-19 hat die lange verdeckten Schwächen des Systems sichtbar gemacht.

Nicht unvorbereitet in die nächste Pandemie

In der ersten Phase der Pandemie wurden Wege ausprobiert, um die Ausbreitung des Virus von den zunächst regional lokalisierbaren Infektionsherden zu verhindern. Parallel begann eine hektische, oft chaotische Suche nach medizinischer Schutzkleidung und nach Schutzmasken – zu Beginn buchstäblich um jeden Preis: Die Pandemie traf unser Land unvorbereitet. Aber das war nicht schicksalhaft. Denn der nationale Pandemieplan hatte entsprechende Vorbereitungen gefordert, war aber schlicht nicht umgesetzt worden.

Eine Lehre aus der Pandemie lautet daher, dass die Vorbereitung auf weitere Pandemien unbedingt notwendig ist. Das ist eine große organisatorische und epidemiologische Herausforderung, in anderen Bereichen geht es aber auch um unternehmerisches „Handwerk“: Es gibt auf dem Gesundheitsmarkt Unternehmen, die die Beschaffung und Bevorratung von Schutzausrüstungen wirtschaftlich und effizient sicherstellen können. Mindestens ebenso wichtig ist die Erkenntnis, dass mehr Tempo beim digitalen Umbau des Gesundheitssystems schon heute möglich ist. Nötig dazu sind „grünes Licht“ von der Gesundheitspolitik und am Bedarf der Versicherten ausgerichtete Rahmenbedingungen.

Chancen der Digitalisierung für die Versorgung nutzen

Der Mangel an Pflegepersonal sowie Ärzten wird seit Jahren thematisiert, die COVID-19-Pandemie hat ihn unübersehbar gemacht. Und auch hier wird „das Virus“ hoffentlich zu einem Umdenken führen. Durch eine bessere, weil digital unterstützte, ambulante Betreuung chronisch Kranker kann die Zahl vermeidbarer Krankenhauseinweisungen deutlich verringert werden. Die Instrumente für ein digitales, telemedizinisches Patientenmonitoring, die Einbindung der Patienten durch Apps zum Selbstmanagement und die Vernetzung der versorgungsrelevanten Akteure sind vorhanden. Die GWQ und eine Reihe innovativer Krankenkassen sind bereit, sie durch kluge Selektivverträge für die Versorgung nutzbar zu machen.

Chancen der Analytik nutzen

Auch 15 Monate nach Beginn der Pandemie bleibt die Datenlage weit hinter dem Möglichen und Notwendigen zurück. Relevante Daten wurden bislang nicht systematisch ausgewertet oder auch nur erfasst. Statt einer systemischen Anstrengung blieb es bei zahlreichen Einzelstudien engagierter Akteure. Die GWQ zeigt ungeachtet dessen seit Jahren, welche Erkenntnisse aus strukturierten Daten gewonnen werden können und wie Datenanalysen die Grundlage für eine gute, wirtschaftliche und zukunftsfähige Versorgung der Versicherten sein können. Eine Konsequenz aus dem mangelhaften Pandemiemanagement muss sein, diese Chancen der Analytik zu nutzen, um effizientere und patientenzentriertere Versorgungsstrukturen aufzubauen.